So tickt die Gewerkschaft.

Über Gewerkschaftsarbeit zu schreiben, ist, wie es eine sehr junge Kollegin von mir formulieren würde, nicht gerade ein prickelndes Thema. Warum eigentlich? Wir leben in gefühlten 100 Jahren neoliberaler Politik, in der sich die Arbeitssituation von Menschen dramatisch verschlechtert hat. Wir leben in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit ohne Aussicht auf ein Ende. Trotzdem will beim Thema Gewerkschaft keine echte Begeisterung aufkommen.

Es ist dem neokonservativen Mainstream beispielhaft gelungen, Gewerkschaften als Reform­verhinderer, Betonierer, ja als irgendwie antiquiert zu denunzieren. Waren die Gewerkschaften bemüht, die allergröbsten Rückschritte, die von den Neokons gebetsmühlenartig und unberührt von jedem Realitäts-Check als Reformen verkauft wurden, zu verhindern, wurden sie von einem willfährigen Journalismus als Fortschrittverweigerer gegeißelt. Und die Gewerkschaften haben sich in der Öffentlichkeitsarbeit häufig darauf beschränkt, in Hochglanzbroschüren ihre eigenen Leistungen zu präsentieren. Als ob das die Gegner der Gewerkschaften tatsächlich interessieren würde.

Ein weiterer Punkt, der mit dem seit Jahrzehnten einhergehenden neokonservativen Klima verbunden ist, ist der ungebrochene Glaube an das individuelle Streben, nach dem eigenen Vorteil als Erfolgsrezept für alle. Auch im Lande Freuds und Schnitzlers leben Mann und Frau in der Vorstellung, dass „jeder seines eigenen Glückes Schmied sei“. Diese Haltung bewirkt Vereinzelung und verhindert den Blick auf die Möglichkeit von gemeinschaftlichen Lösungen, die allen zugute kommen. Dass diese Haltung Menschen auf Dauer überfordert, zeigt der Diskurs über die Hoffnung, die durch linke Bewegungen entstehen.

Das sind Gründe, für die die Gewerkschaft nicht viel kann, aber es gibt auch solche, die sehr wohl in der Art und Weise ihres Agierens liegen. Wenn hochrangige Gewerkschaftsfunktionäre beispielsweise politische Funktionen übernehmen und dann in der hohen Politik in ihrem Abstimmungsverhalten plötzlich aus Gehorsam gegenüber einer Parteilinie einen Kurswechsel vollziehen. Oder auch die Art und Weise, wie in unserem Land Sozialpartnerschaft praktiziert wird. Sie hinterlässt bei vielen ArbeitnehmerInnen einen etwas schalen Nachgeschmack. Ja, verhandeln ist allemal besser als sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, soweit die Binsenweisheit zum Thema Sozialpartnerschaft. Es sollte aber beiden Verhandlungspartnern nicht nur die Interessenslagen der von ihnen vertretenen Gruppen klar sein, sie müssen auch transparent verhandeln und Betroffene einbeziehen. Und hier entsteht doch sehr häufig der Eindruck, dass das nicht direkt eine Stärke der Gewerkschaften ist.

Grundsätzlich ist gesellschaftspolitisches Handeln von Gewerkschaft, sofern es nicht parteipolitisch vereinnahmt wird, positiv. Und angesichts der globalisierten Wirtschaft wird dies auch international immer wichtiger. Wesentliche Beispiele sind Wasser, TTIP und CETA. Die Lobbytätigkeit von Gewerkschaft in der EU, wo sich eine kleine Handvoll GewerkschaftsfunktionärInnen einer sehr breiten und mächtigen Gegnerschaft stellt, ist hier ein eindrucksvolles Beispiel.

Und zum Abschluss noch zwei Vergleichszahlen zum Organisationsgrad von ArbeitnehmerInnen: In Schweden hat er im Jahr 1960 70,7% betragen und ist bis zum Jahr 2000 auf 81,9% gestiegen. In Österreich lag er im Jahr 1960 bei 57,8% und ist bis zum Jahr 2000 auf 35,3% gesunken.Schweden ist sowohl wirtschaftlich als auch sozial eines der erfolgreichsten Länder Europas.

ps: es hätte dem ÖGB sicher nicht geschadet, die Vermögenssteuer schon als Frage der Gerechtigkeit hoch auf die Agenda zu setzen….

Alle Neune…

… oder umgefallen wie die Kegel ist die Sozialdemokratische Partei in der Frage der Vermögenssteuer. Dabei wären Vermögenssteuern nicht nur aus Gründen der Steuergerechtigkeit dringend notwendig, sondern auch um Handlungsspielräume für notwendige Investitionen zu gewinnen.

Was bleibt, ist die Prolongierung der steuerpolitischen Schieflage. Letztlich werden wir uns sowohl die Steuerreform als auch das bald kommende Sparpaket selber zahlen….gelernte ÖsterreicherInnen wissen, warum sie  Reformen fürchten … leider.

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