Die freie Marktwirtschaft und ihre Maximen durchdringen unsere Gesellschaft und haben längst auch öffentliches Gut und kommunal geführte Betriebe erreicht. Doch muss das sein?
Eine Gesellschaft wie diese – warum überhaupt?
In unserer Gesellschaft stehen sich Personengruppen mit verschiedenen Interessen gegenüber: Die ArbeitgeberInnen (früher hießen sie ja noch Kapitalisten) haben das Interesse, dass in ihrem Unternehmen ein möglichst großer Mehrwert hergestellt wird. Die ArbeitnehmerInnen erhalten einen Lohn. Der Wert, den sie durch ihre Arbeit herstellen, ist aber meist bei weitem höher als dieser Lohn. Dieser Mehrwert bleibt bei den BesitzerInnen der Produktionsmittel und BesitzerInnen der Produkte, die die ArbeitnehmerInnen hergestellt haben. Bei einem Dienstleistungsbetreib verhält sich das nicht anders. Der Mehrwert, der letztendlich den Profit für die UnternehmerInnen ergibt, soll möglichst hoch sein, damit die ArbeitgeberInnen in der Konkurrenz mit Ihresgleichen mithalten können. Möglichst wollen sie aber selbst Maßstäbe setzen und den Wettbewerb, der unter UnternehmerInnen besteht, anführen, indem sie gegenseitig die Preise ihrer Produkte unterbieten.
Dazu ist es nötig, die Produktivität in den Betrieben zu erhöhen. Das geschieht auf zweifache Weise: Einerseits passiert es durch die Verlängerung des Arbeitstages, zum Beispiel auf 12-Stunden-Tage oder durch die Einführung der 60- Stunden-Woche. Dabei bleibt allerdings der Lohn fast gleich, obwohl sich für die UnternehmerInnen der Profit erhöht, den ja die ArbeitnehmerInnen erarbeiten. Andrerseits wird die Produktivkraft der ArbeitnehmerInnen durch die Installierung neuer Technologien erhöht. Dadruch können (und müssen) die ArbeitnehmerInnen mehr Produkte in der gleichen Zeit herstellen. Der Lohn bleibt wieder gleich – der höhere Profit bleibt bei den UnternehmerInnen. Beide diese Entwicklungen führen dazu, dass ArbeitnehmerInnen den Arbeitsplatz verlieren, denn damit können weniger Beschäftigte mit höherer Produktivität arbeiten.
Das Unterbieten durch einen billigeren Produktpreis führt wiederum dazu, dass andere Unternehmen in der Konkurrenz unterliegen. Deren ArbeitnehmerInnen verlieren auch den Arbeitsplatz. Das „ Freiwerden“ der ArbeitnehmerInnen hat für die UnternehmerInnen wieder den Vorteil, die Lohnpreise drücken zu können.
Freie Marktwirtschaft: Es trifft uns alle
Die ArbeitnehmerInnen verkaufen ihre Arbeitskraft und wollen von ihrem Lohn möglichst gut leben können. Das ist aufgrund der Veränderungen am Arbeitsmarkt (12-Stunden-Tag, 60-Stunde-Woche), kaum möglich, für die Erholung bleibt kaum Zeit. Statistiken belegen außerdem, dass – über Jahre hinweg betrachtet – der Reallohn der ArbeitnehmerInnen gesunken ist. Viele – vor allem Frauen oder Mütter – sehen sich dazu gezwungen, kein reguläres Beschäftigungsverhältnis eingehen zu können. Sie gründen „Ich-AGs“ oder sind z. B. durch Teilzeitarbeit prekär beschäftigt. Der Lohn reicht zum Leben kaum aus. Die Anzahl der ArbeitnehmerInnen, die zusätzlich zum Arbeitslohn Mindestsicherung beantragen müssen, steigt.
Auch PensionistInnen sind noch betroffen. Sie haben ihr Leben lang gearbeitet. Meist sind sie nun nicht nur krank sondern müssen feststellen, dass ihre Pension dermaßen gering ist, dass sie zum Leben kaum reicht. Dennoch sind sie damit konfrontiert, erfahren zu müssen, dass ihre Pensionen immer noch zu hoch sind. Vor allem Frauen, deren Leben durch die Dreifachbelastung Beruf, Haushalt und Kinderbetreuung geprägt war, erfahren nun, dass ihre Pension deshalb dermaßen gering ist, weil sie zu wenig gearbeitet haben.
Unsere Umwelt leidet unter der Produktionsweise, die aufgrund der Profitorientierung keine Rücksicht auf die Natur nimmt. Jede Rücksichtnahme, wie der Verzicht auf umweltbelastende Produktionsweise oder der Verzicht auf die Herstellung umweltbelastender Produkte, würde eine Schmälerung von Profit oder Kapitalakkumulation innerhalb einer Nation oder eines Wirtschaftsraums zur Folge haben, die aus marktwirtschaftlicher Sicht nicht hingenommen werden kann.
Entsprechen auch das Ergebnis der Klimaverhandlungen in Madrid. Aus einem dringenden Appell auf Rücksichtnahem auf die Natur (weniger CO2-Emissionen, weniger Belastung durch Stickoxyde) wurde eine banales Erpressen und Feilschen.
Fragt sich nur: Eine Gesellschaft wie diese – warum überhaupt?