Zwei neue Untersuchungen zeigen einmal mehr die Schieflage zwischen Männern und Frauen in der Arbeitswelt.

Gleichstellungsindex Arbeitsmarkt

Anhand von dreißig Indikatoren in den vier Themenfeldern Arbeit, Einkommen, Bildung und Familie misst der vom WIFO mit dem Arbeitsmarktservice entwickelte Index die Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt. Damit berücksichtigt dieser Index mehr Indikatoren als der bisherige Syntex, entwickelt von Synthesis.

Im gesamten Index erreichen Frauen durchschnittlich 71 Prozent der Männerwerte, gemessen an Daten aus dem Jahr 2013.

Das bedeutet, dass Frauen im Gesamtbild rund dreißig Prozent schlechter abschneiden als die Männer. Betrachtet nach Themenfeldern differenziert sich das Bild weiter.

In der Bildung deutlich besser

Die Betrachtung des Themenfeldes Bildung zeigt, dass Frauen insbesondere bei Weiterbildung und bei Hochschulabschlüssen die Männer übertreffen, also die Weiterbildungsbeteiligung von Frauen höher ist, beziehungsweise mehr Frauen einen Hochschulabschluss erlangen als Männer. Obwohl Frauen im Bereich der Geringqualifizierten und derer, die keine Schule besuchen, keiner Arbeit nachgehen und sich nicht in beruflicher Ausbildung befinden, stärker vertreten sind, sind sie im Durchschnitt höher gebildet. Dies gilt für alle Bundesländer.

Kein ausgleichender Effekt

Von diesem bildungsbezogenen Vorsprung können Frauen in Fragen der Gleichstellung am Arbeits­markt jedoch nicht profitieren. In den drei anderen Themenfeldern liegen sie nämlich hinter den Männern. Am deutlichste ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern im ­Themenfeld Familien. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Einkommenssituation vor und nach der Karenz lassen die Frauen hier nur vierzig Prozent der Männerwerts erreichen.

Dazu kommen die bekannten Einkommensunterschiede sowie die ungleiche Verteilung von Arbeitszeit und Leitungs­positionen. Die geringere Betroffenheit von Arbeitslosigkeit kann diesen Effekt zu Ungunsten der Frauen nur dämpfen, nicht ausgleichen.

Auch der direkte Vergleich macht leider sicher

Parallel zu dem Gleichstellungsindex wurde eine Studie von Synthesis mit dem Titel „Das Geschlecht macht den Unterschied“ veröffentlicht. Mit Hilfe von statistischen Paaren wurde die Einkommens­entwicklung von Frauen und Männer mit Pflichtschulabschluss oder Lehre gemessen. Zentrale Kennzahlen waren dabei das Einkommen zum Berufseinstieg sowie fünfzehn Jahre später.

Die ­statistischen Paare hatten eine vergleichbare oder gleiche Ausbildung und sind im gleichen Berufsfeld und / oder im gleichen Beruf zur gleichen Zeit in den Arbeitsmarkt ­eingestiegen.

Bereits beim Berufseinstieg konnte ein Einkommens­unterschied von rund zwölf Prozent festgestellt werden. Das heißt, dass die Frauen der betrachteten statistischen Paare nur 88 Prozent des Einkommens der Männer erzielen konnten. Fünfzehn Jahre später sind es nur noch 57 Prozent des Einkommens, die Frauen weisen also eine deutlich schlechtere Einkommensentwicklung auf als die Männer. Den größten Einfluss auf die ungleiche Entwicklung haben Erwerbsunterbrechungen und hier vor allem die Karenz. Wird jene Gruppe betrachtet, in denen nur Frauen in Karenz gehen, so öffnet sich die Einkommensschere nochmals deutlich. Gehen beide kann die Entwicklung leicht gedämpft werden.

Auch ohne Erwerbsunterbrechung durch Karenz ist der Unterschied zwischen den Monatseinkommen leicht höher als beim Berufseinstieg und liegt bei sechzehn Prozent.

In Bezug auf die verschiedenen Berufsfelder können nur relative Effekte ausgemacht werden. So zeigt die Untersuchung, dass der Gender Pay Gap im Handel von minus zwölf  Prozent auf minus fünfundvierzig Prozent in dem Zeitraum von fünfzehn Jahren steigt. In den technischen Berufen ist die Entwicklung gleich, wenn auch auf anderem Niveau. Dort steigt er von minus zwei Prozent beim Berufseinstieg auf minus fünfunddreißig Prozent nach fünfzehn Jahren. Auch wenn die Gesamt­einkommen in technischen Berufen deutlich höher sind und auch die ­Einkommensentwicklung stärker nach oben zeigt, bleibt die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen.

Geschlecht wirkt stärker bei Migrationshintergrund

Bei Geringqualifizierten und Menschen mit Lehrabschluss wirkt in Fragen der Einkommensungleichheit das Geschlecht stärker als der Migrationshintergrund. Während die Einkommensentwicklung bei den Männern ähnlich ist, verlieren Frauen mit Migrationshintergrund stärker als Frauen ohne. Der Gender Pay Gap gemessen am standardisieren Monatseinkommen liegt bei Paaren ohne Migrationshintergrund bei minus zweiundvierzig Prozent, wohingegen er bei den statistischen Paaren mit Migrations­hintergrund minus zweiundfünfzig Prozent beträgt.

Es gibt noch viel zu tun

Beide Studien haben den Anspruch Ungleichheit zwischen den Geschlechtern am Arbeitsmarkt aufzuzeigen, nicht diese politisch zu erklären. Auch wenn die Ergebnisse in der Tendenz nicht neu sind, müssen sie doch als Auftrag zum Kampf um Gleichstellung gesehen werden.

Über alle Berufseinstiege hinweg hat sich der Gender Pay Gap in den betrachteten fünfzehn Jahren nicht verändert, lag er 1998 bei minus vierundzwanzig Prozent, erreichte er minus fünfundzwanzig Prozent im Jahr 2012. Dies zeigt, dass Gleichstellungsmaßnahmen zwar in bestimmten Bereichen sicher greifen, etwa bei Schulungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservice, in der Gesamtbetrachtung ist deren Effekt jedoch zu hinterfragen.

Und eines zeigen die Untersuchungen auch: Die Berufswahl hat sicherlich beim Einstieg Effekte, die ungleiche Einkommensentwicklung kann sie aber nur bedingt ­beeinflussen.

Viel stärker wirken andere Faktoren, wie zum Beispiel die unzureichende Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Verortung der Betreuungspflichten bei den Frauen. Natürlich wird ein entscheidender Teil dieses Gaps von dem Ausmaß der wöchentlichen Arbeitszeit beeinflusst. Die Antwort kann aber nicht lauten, dass die Frauen selbst schuld sind, wenn sie weniger Stunden arbeiten oder Kinder bekommen. Die Debatte um Teilzeit, sei sie nun freiwillig oder nicht, bringt nicht weiter, sondern lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Es geht nämlich nicht in erster Linie um Arbeitszeit, es geht um Gleichstellung und Existenzsicherung. Und dies ist nicht ein Frauenproblem.

Die frauenpolitische Perspektive der allgemeinen Arbeitszeitverkürzung

Wollen wir mehr Gleichstellung zwischen den Geschlechtern und geringere Einkommensunterschiede beziehungsweise eine gleichere Einkommensentwicklung, kommen wir um eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung nicht herum. Diese bezieht sich sowohl auf die Lebens- als auch auf die Wochenarbeitszeit. Solange die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern so sind, wie sie sind, werden die familiären Betreuungspflichten und damit der zeitweise Ausstieg aus dem Erwerbsarbeitsleben dort stattfinden, wo das niedrigere Einkommen bezogen wird. Und das sind die Frauen, mit allen Konsequenzen für die Jahre nach dem Ausstieg und die Pension.

Und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Daher ­werden wir nicht umhin kommen, dass auch Männer für Betreuungspflichten ihre Erwerbsarbeit unterbrechen und das nicht nur für zwei Monate. Eine wirkliche Aufteilung von Karenzzeiten könnte ein erster Schritt dahin sein, wenn dieser auch sicherlich nicht ohne gesetzliche Rahmenbedingungen gelingen wird. Das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld ist sicher ein richtiger Schritt, ein Ausbau der Verpflichtung zur Aufteilung der Zeiten des beruflichen Ausstiegs ist hoch angesagt.

Die 30-Stunden-Woche

Die Arbeitszeitverkürzung hat eine immense frauen­politische Dimension, wenn sie richtig umgesetzt wird. Wird die Normalarbeitszeit auf dreißig Stunden reduziert, nähern sich die Teilzeitarbeits­verhältnisse und die Normalarbeitszeit stark aneinander an.

Betreuungspflichten können besser aufgeteilt und ­koordiniert werden. Männern können ihren Beitrag zur unbezahlten Arbeit erhöhen. Dazu bedarf es allerdings einiger Rahmenbedingungen. So ist die reine Verkürzung der Wochenarbeitszeit nicht ausreichend. Auch der Normalarbeitstag ist ein wichtiger Faktor. Ebenso die Regelungen zu Mehrarbeit und Überstunden.

Um Gleichstellung am Arbeitsmarkt zu erlangen, müssen die Rahmenbedingungen für Frauen und Männer gleich sein, das ist die unabdingbare Voraussetzung, die wir im Jahr 2015 immer noch nicht erreicht haben. Im Gegenteil, im Zuge der Krise ist allenthalben eine Rückentwicklung zu beobachten.

Die Sparpolitik führt zu einer noch stärkeren Verlagerung der Betreuungspflichten und Reproduktions­arbeit in den unbezahlten Bereich der Familie und damit zu den Frauen. Der Druck am Arbeitsmarkt lässt gleichzeitig weniger Raum für Erholung, Mehr- und Überstunden werden nicht weniger, sondern nur seltener bezahlt.

Es gibt viel zu tun – für Männer und Frauen!

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