Die Regierung hat just zu dem Zeitpunkt, als der ÖGB seinen Bundeskongress abhielt, ihre neuen Arbeitszeitmodelle vorgestellt. Der 12-Stunden-Tag, verbunden mit einer möglichen 60-Stunden-Woche, wird Realität. Damit sollen, so die Regierung, die Menschen flexibler arbeiten können und bei gewichtigen Gründen auch „Nein“ sagen dürfen. Abgesehen davon, dass diese gewichtigen Gründe nicht näher definiert sind – weil was ist für Mensch schon wichtig –, hat dies auch für etwa 1,2 Millionen Menschen, die eine Gleitzeitregelung haben, eine dramatische Folge. Bisher war die 11. und 12. Stunde eine Überstunde mit entsprechender Entlohnung und Pensionsanrechenbarkeit, in Summe waren das letztes Jahr 250 Millionen Stunden. (https://derstandard.at/2000081763585/Gleitzeit-Zuschlaege-fallen-bei-Zwoelf-Stunden-Tag-weg)
Diese Überstundenentlohnung wird jetzt entfallen, da die zu machenden Stunden dann lediglich 1:1 abrechenbare und in Zeitguthaben umgesetzte Mehrarbeiten sind. Vor allem – die Betriebe können dann selbstständig entscheiden, wann mensch diese Stunden machen „darf“. Was auf den ersten Blick ja ganz vernünftig ist, wird dann ganz schnell zum Bumerang, wenn es jene Bereiche betrifft, wo mensch es sich schon jetzt nur schwer regeln konnte. Familienleben oder Kinderbetreuung leiden auch darunter, denn mit einer Erhöhung der Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz müssen die entsprechenden Bildungseinrichtungen natürlich auch länger offen haben – mehr Personal wird es dafür vermutlich nicht geben, wenn man den bisherigen Trend als Maßstab nimmt, hat doch die Stadt Wien in den letzten Jahren, statt Ressourcen aufzustocken, viele Dinge privat vergeben. Darüber hinaus ist noch vollkommen unklar, was mit den bisherigen Betriebsvereinbarungen passiert (Gleitzeitvereinbarungen sind ja Vereinbarungen zwischen Betrieb und Personalvertretung), ob diese jetzt neu verhandelt werden müssen – mit dem Damoklesschwert des Arbeitsplatzverlustes bei Nichtzustimmung – oder sie trotzdem halten, weiß keiner (https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/arbeitszeit/12-Stunden-Tag__Ein_Faktencheck.html).
Bei der Stadt Wien gab es im Bereich des Krankenanstaltenverbundes (KAV) ja schon bisher praktizierte Modelle, länger zu arbeiten. In der Pflege und bei den ÄrztInnen war dies durchaus üblich, die EU hat dem einen Riegel vorgeschoben, und zwar aus einem guten Grund: Menschen, die länger durchgehend arbeiten, sind fehleranfälliger und schneller ausgebrannt. Nun, anstatt sich dieses EU-Urteil zu Herzen zu nehmen und entsprechend Personal aufzunehmen – im Dienstpostenplan des KAV sind noch immer 1.200 Posten nicht besetzt –, hofft man dort ganz offenbar insgeheim auf dieses neue Gesetz. Dabei könnte man locker mehr Personal aufnehmen, Geld dafür wäre da. 70 Millionen Euro gibt der KAV jährlich für externe Berater aus, das entspricht rund 950 Dienstposten.
Weitere interessante Details, die man als flankierende Maßnahmen verstehen kann, sind die Zumutbarkeitserhöhung des täglichen Arbeitsweges, welcher von 1,5 auf 2,5 Stunden pro Strecke ausgedehnt werden soll, sowie eine bessere Überwachung von „simulierten“ Krankenständen, wie es heute im ORF zu lesen ist (http://orf.at/stories/2443250/). Durch das neue, noch von Rot-Schwarz beschlossene ELGA (Elektronischer Gesundheitsakt) System wird dies sicher nicht erschwert. Ursprünglich war das Tool dazu gedacht, gegen den Verdacht von Schwarzarbeit seitens der Betriebe vorzugehen, jetzt werden damit die ArbeitnehmerInnen ausspioniert. Mensch muss sich jetzt noch besser überlegen, ob und wann er krank werden darf, was natürlich vollkommen irrsinnig ist. Wer will schon freiwillig krank sein? Eine weitere flankierende Maßnahme, um den Arbeitsdruck auf die ArbeitnehmerInnen zu erhöhen, ist die Abschaffung der Notstandshilfe und damit verbunden ein rascheres Abgleiten in die Mindestsicherung und damit Armut. MindestsicherungsbezieherInnen verlieren pensionsanrechenbare Zeiten und müssen vorher ihr gesamtes erworbenes Vermögen bis auf einen Rest von 4.000 Euro pro Familie ausgeben, sprich, sie verlieren alles, was sie vorher mühsam erarbeitet haben. Für ältere DienstnehmerInnen einen Katastrophe.
Wir sehen also, dass diese Regierung einen Generalangriff auf alle DienstnehmerInnen starten, dem wir energisch entgegentreten müssen. Es kann nicht sein, dass wir uns alles, was wir im Laufe der letzten hundert Jahre erworben haben, mit einem Schlag nehmen lassen. Zustände wie zu Zeiten des Kaiserreiches dürfen nicht mehr eintreten. Schon gar nicht bei der Stadt Wien. Hier hat die Stadt Wien mit Unterstützung von Teilen der Gewerkschaft aber schon vorgearbeitet: Das neue Wiener Bedienstetengesetz erlaubt eine Rückreihung mit Gehaltsverlusten bei Nichterfüllen der Aufgabenstellung, die jeder einzeln bewertete Dienstposten mit sich bringt. Berufsschutz? Gibt‘s nicht mehr. Die Dienstgeberin kann jetzt mit Menschen nach Gutdünken jonglieren. Wie gibt es das, dass eine Gewerkschaft einer solchen Regelung (neben anderen) zustimmen kann? In solchen Zeiten, wo schon die Regierung dafür sorgt, dass die ArbeitnehmerInnen zu Lohnsklaven degradiert werden? Sollte die Gewerkschaft hier nicht vielmehr mit allen Mitteln dagegenhalten? Desgleichen die rot-grüne Stadtregierung: Wie kann man so etwas überhaupt andenken bzw. durch den Gemeinderat bringen? Hier sind offenbar Menschen am Werk, die von der alltäglichen Arbeitssituation bereits weit weg sind (bzw. nie in einer solchen waren) – zum Schaden von uns DienstnehmerInnen.
Man muss sich als Mensch und mündiger Wähler auch überlegen, ob eine Regierung, die nur auf Kommando der Industriellen und WKO springt, eine adäquate Volksvertretung ist. Ein kurzes Nachdenken in der Wahlzelle erspart Mensch viel Ungemach in seinem weiteren Leben! Denn eines ist sicher: Ein „Ich habe es ja nicht gewusst!“ nimmt uns niemand mehr ab.