Wenn Bildung ganzheitlich zu betrachten ist – warum ist die Elementarpädagogik noch immer ein gesellschaftliches Stiefkind?

Seit Jahrzehnten ist zu hören, dass gerade der Kindergarten unersetzlich am Bildungsweg des Menschen ist. Dort werden die Grundsteine der Bildung gelegt, dort beginnt die Bildungskarriere des Individuums. Besonders politisch Verantwortliche bedienen sich gerne solch schöner Worte – doch wie sieht die Realität aus?

Elementarpädagogik: Zu viele bildungshungrige Kinder und viel zu wenig Fachpersonal

Nur ein kleiner Anteil der ausgebildeten Elementarpädagog*innen arbeitet später im Kindergarten. Und wenn doch, dann sind es oftmals nur wenige Jahre. Die Ausbildung zur Elementarpädagogin und zum Elementarpädagogen am zweiten oder dritten Bildungsweg, also in der Erwachsenenbildung, kann nur notdürftig Personallöcher stopfen. Und auch hier ist die Verweildauer im neuen Beruf überschaubar. Oftmals zerplatzt der Bildungstraum schon nach kürzester Zeit und das Dienstverhältnis endet nach den vier Jahren, welche abgedient werden müssen, um die Ausbildungskosten zurückzubringen. Die Berufung bleibt bei den Bedingungen des Alltags oftmals auf der Strecke.

Noch immer ist die Kinderanzahl in den Gruppen viel zu hoch. Um qualitätsvoll Bildung übermitteln zu können, braucht es einen anderen Erwachsenen-Kind-Schlüssel. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es klare Empfehlungen. So soll beispielsweise für die Kleinkindgruppe ein Verhältnis von Kind zu Pädagog*innen max. 1:4, im Kindergarten max. 1:7 sein. Die optimale Gruppengröße liegt bei maximal 12 (KKG) bzw. 20 (Kindergarten-) Kindern.

Sollten die Arbeitsbedingungen weiterhin so desaströs bleiben, wird der Nachwuchs in der elementarpädagogischen Ausbildung bald ganz fehlen. Dies gilt für alle Bundesländer und alle Träger, denn im Moment halten wir uns nur mit Mängelverwaltung, Assistenzpersonal und der persönlichen Hoffnung und Zuversicht über Wasser! Die Politik darf Verantwortung übernehmen, für den Weg in die Einfalt und Bildungsarmut. Erste Eindrücke bekommen wir ja schon zu spüren!

Von gelebter Inklusion keine Spur

Derzeit ist die österreichische Versorgungssituation mit Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr regional höchst unterschiedlich. Das spiegelt sich auch in den Konzepten und der Qualität wider. Bildungspartner*innen und besonders Alleinerzieher*innen, sind in Österreich mit unterschiedlichen Personalschlüsseln, massiv differierenden Öffnungszeiten und mit gravierenden Auffassungsunterschieden zu Bildung und Betreuung konfrontiert. Die Mitarbeiter*innen in den einzelnen Gemeinden und Ländern wiederum finden verschiedenste Arbeitsbedingungen und unterschiedlichste Bezahlungsmodelle vor.

Besonders schlimm trifft es Kinder, die mehr Unterstützung im Alltag brauchen. Wien steht noch am besten im Versorgungs- und Förderungsbereich da. In Wien Heute am 17.8.2022 sprach Julia Malle (Bildungssprecherin der Grünen Wien) davon, dass es für 935 Kinder mit erhöhtem oder intensivem Betreuungsbedarf keinen freien Platz in den städtischen Kindergärten gibt und lange Wartezeiten auf die zukünftigen Bildungspartner*innen und ihre Kinder zukämen.

Herr Burger (interimistischer Leiter der Abteilung) bringt es auf den Punkt. Es würden die Fachkräfte fehlen, was laut Wien Heute auch Stadtrat Christoph Wiederkehr festgestellt haben soll. Er allerdings hat dem noch hinzugefügt, dass dies seit Jahren so sei, und er hat Recht. Die von Herrn Burger im Interview angesprochenen Anreizsysteme lassen aufhorchen. Welche?

Ja, es gibt die Möglichkeit der Kostenübernahme durch die Abteilung und ein Ausmaß an Stunden. Dies zieht aber beispielsweise auch eine Verpflichtung, für einige Jahre bei der Abteilung zu bleiben, nach sich. Die Zeiten und täglichen Herausforderungen sind allerdings derart belastend, dass immer wieder Kolleg*innen lieber Kosten zurückzahlen, als sich weiter dem hohen Druck auszusetzen und daran zu zerbrechen. Die Bezahlung kann – obwohl sie etwas höher als jene der Regelpädagog*innen ist – auch niemanden mehr entschädigen oder halten, der individuelle sonderpädagogische Begleitung im ständigen Personalmangel umsetzen soll.

Das Team mobile Entwicklungsförderung umfasst neben der Referatsleitung Berufsgruppen wie Psycholog*innen, Sonderpädagog*innen, Sprachheilpädagog*innen, Physiotherapeut*innen und Referent*innen im Bereich der Verwaltung. Sie unterstützen die Basisarbeit in den Gruppen und sorgen damit mit den Teams der Standorte für die Chancengleichheit der Kinder, die es ohnedies nicht ganz einfach haben. Dass am Ende des Tages auch hier die Ressourcen schnell ausgeschöpft sind, kann sich jeder der den Betrieb im Alltag kennt, denken.

Es braucht es dringend eine mind. 20%ige Aufstockung der unterschiedlichen Fachkompetenzen. Durch die wachsende Vielfalt der sozialen Beeinträchtigungen, die im Einzelfall zu enormen Herausforderungen werden, ist die Ausgangsbasis hinsichtlich der Personalberechnung viel zu gering.

Die Stadt Wien, insbesondere die MA 10, bewirbt das Prinzip der Inklusion und verschreibt sich inhaltlich dieser Idee. Es darf uns dann nicht wundern, wenn Bildungspartner*innen Forderungen aufstellen, die wir in der aktuellen Lage gesamtheitlich nicht erfüllen können. Chancengleichheit bleibt eine Vision und verpufft in dem Moment, in dem sie in den Sinn kommt. Inklusion ist eben mehr als ein politischer Werbeslogan!

Personalmangel in der Elementarbildung

Personalmangel in der Elementarbildung

Elementarpädagogik: Was nichts kostet, ist nichts wert?

Mit der Einführung des beitragsfreien Kindergartens wurde sicher ein wichtiger gesellschaftspolitischer Schritt getan. Barrierefreier Zugang zur Bildung ist ein zentraler Schwerpunkt innerhalb der Demokratie. Leider wurde im Zuge dessen darauf vergessen, die Geschäftsbedingungen dem Alltag anzupassen bzw. eine Form von sozial gestaffeltem Bildungsbeitrag innerhalb der Trägerorganisationen einzuführen.

Kurz zusammengefasst – Schade! Leider entsteht scheinbar immer öfter der Eindruck „Was nichts kostet, ist nichts wert“. Die Forderungen und die Auslegung der Regelungen seitens der Bildungspartner*innen gehen manchen Orts ins schier Unermessliche und der gute Ton bleibt schon lange auf der Strecke. Unsere Mitarbeiter*innen müssen sich beschimpfen und beleidigen lassen. Drohungen und Beschwerden bestimmen unseren Alltag. Mittlerweile sind wir bei Anzeigen und Klagen angelangt. Ein respektvolles Miteinander im Sinne der Kinder und Erwachsenen ist der Wunsch vieler Kolleg*innen.

Ganz sicher sind wir nicht der Fußabstreifer und Babysitter unter den Bildungsinstitutionen. Wir haben genauso ein Anrecht auf Umgangsformen wie die Bildungspartner*innen es für sich verlangen. Ein erster guter Schritt wäre sicher, dem Treiben der Individualinteressen eine Grenze einzuziehen und die AGBs auf ehrliche Füße zu stellen. Auch das Bewerben der Leistungen der MA 10 muss dem Alltag übereinstimmen – Märchenstunde war gestern!  So wie Kinder transparente Regeln und Grenzen brauchen, benötigen das auch Erwachsene.

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