„Die sich verändernden Lebens-, Arbeits- und Freizeitbedingungen haben entscheidenden Einfluss
auf die Gesundheit. Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen und
die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein.“ (WHO 1986)
Wenn eine Arbeitssituation von hohen physischen und psychischen Anforderungen geprägt ist
(insbesondere Zeitdruck, Hektik und widersprüchliche Arbeitsanforderungen), zugleich aber niedrigen
Kontroll- und Einflusschancen gegenübersteht (also geringe Möglichkeiten zur zeitlichen, inhaltlichen
Selbstgestaltung oder zur Entwicklung und Nutzung beruflicher Kompetenz), dann entstehen Stress-
erfahrungen am Arbeitsplatz.
In chronischer Form können solche Stresserfahrungen langfristig das Risiko von (stressassoziierten)
Erkrankungen erhöhen, und zwar aufgrund des dauerhaften Aktivierungszustandes und der Unfä-
higkeit, angemessene Entspannungsreaktionen, die sich normalerweise nach Kontrollausübung bzw.
erfolgreicher Meisterung der Anforderungen einstellen, zu erleben.
Arbeitsbedingungen stehen in einem direkten Zusammenhang mit der individueller Gesundheit.
Demnach entsteht Stress, mit seinen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, in Form von
Herz-Kreislauf-Beschwerden, psychischen Erkrankungen oder auch Erkrankungen des Bewegungsapparats,
dann, wenn eine Arbeitssituation von hohen Anforderungen (wie z. B. Zeitdruck oder Hektik),
zugleich aber auch von niedrigem Gestaltungsspielraum geprägt ist. Dieser Zusammenhang
verstärkt sich noch weiter, wenn sozialer Rückhalt am Arbeitsplatz fehlt und wenn die berufliche Leistung
über einen längeren Zeitraum (z. B. aufgrund einer übersteigerten Leistungsbereitschaft) nicht
angemessen belohnt wird, wobei diese in Gehalt, Anerkennung oder Aufstiegsmöglichkeiten stattfinden kann.
Wie sieht es bei der Stadt Wien aus?
Auch hier steigt der Arbeitsdruck über die letzten Jahre signifikant. Das oftmalige Nichtnachbesetzen von Dienstposten,
Fehlen notwendiger Karenzvertretungen und Vertretungen bei Krankenständen oder ein eklatanter Personalnotstand von Fachpersonal, wie in den Wiener Kindergärten und dem Gesundheitsverbund, führen zu anhaltenden Stresssituationen durch Überbelastung.
In den seltensten Fällen hängt dieser Umstand mit mangelnder Selbstkompetenz zusammen, obwohl
gerne darauf verwiesen wird. Seminare, welche sich mit Zeitmanagement oder Selbstmanagement
beschäftigen, sind hier nicht wirklich dienlich.
Das vorgeschriebene Arbeitspensum ist zu erreichen, individuelle Befindlichkeiten haben keinen
Platz. Menschen, die mit Menschen arbeiten, können diese nicht einfach wie Akten stapeln und im
Bedarfsfall am nächsten Tag erledigen.
Ohne Rücksicht auf Verluste – welchen Wert hat der Mensch im Arbeitsleben?
Wie schon wiederholt berichtet, steigen auch bei der Stadt Wien Burn-out-Erkrankungen und die
Zunahme des Konsums von Psychopharmaka. Auch die Absackerrunde nach dem Dienst mit Bier oder dem
einen oder anderen Achterl ist kein Geheimnis. Durchhalten und Aushalten wird zur höchsten
Prämisse. Briefe der Dienstgeberin, welche bei längeren Krankenständen den Kolleg*innen vermitteln, dass nun
ihre Teams leiden, da ihre Arbeiten mitübernommen werden müssen, sind auch kein
Zeichen für wertschätzenden Umgang mit Mitarbeiter*innen.
Generell darf in Zeiten, da das Pragmatikum im Auslaufen begriffen ist und damit die Kündigungen bei
Nichterbringung der gewünschten Leistungen der Vertragsbediensteten und den Mitarbeiter*innen im
neuen Bedienstetengesetz ein Leichtes ist, gefragt werden, wo uns die neue Arbeitswelt hinführen möchte.